JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Ich fasse es nicht! Der Neffe von Sigmund Freud namens Edward Bernays ist der Creator unserer heutigen Propaganda-Techniken. Hierbei geht es um Meinungs-Formung, Erkenntnis-Manipulation und Verhaltens-Steuerung, wobei man mit dem Finger immer in Richtung Diktatur zeigt. In Wahrheit dient Propaganda als Kontroll-Instrument aller Regierungs-Systeme, an vorderster Front den demokratischen. Und dann legt er los wie ein Wirbelwind, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, zitiert alle möglichen Machthaber der letzten Jahrhunderte, um so zu dokumentieren, wie mächtig Propaganda in Wirklichkeit ist, diese „bewusste, vorsätzliche Manipulation“.
Dann noch diverse Ausflüge zu Think Tanks, Atlantik-Brücke und Bilderberger, die natürlich nicht fehlen dürfen. Was mir aber einleuchtet, ist das mit der freien Meinungsäußerung. Da scheint was dran zu sein, wobei mir dabei gerade Gottschalk einfällt, den man öffentlich ohrfeigt, weil er bekundet, dass er sich heute im Gegensatz zu früher gut überlegen muss, was gesagt werden darf.
Das Licht im Saal wird plötzlich heller gedimmt. Es folgt wohl jetzt die angekündigte halbstündige Pause mit Autogramm-Angebot des Messias. Während er traumwandlerisch von der Bühne schwebt, stürmen seine Fans aus der Halle ins Foyer. Dort kann man sich seiner Trunksucht hingeben, etwas kahlen oder ein Buch von Kayvan erwerben mit dem Titel des heutigen Vortrages. Ich lasse meinen Mantel auf dem Stuhl liegen, wird schon keiner daraus etwas entwenden und schreite ebenfalls in den Vorraum.
Da sitzt er nun hinter dem Büchertisch und schreibt die gewünschten Widmungen seiner Anhänger in die von ihnen erworbenen Bücher. Ich trete näher, seitlich zur Warteschlange und beobachte ihn. Wie zart er rüberkommt, so ganz anders als auf der Bühne. Nahbar und liebevoll geht er mit jeden einzelnen um, lässt sich auf kurze, persönliche Gespräche ein. Ich glaube, ich tue es mir auch an, ein Andenken von diesem Gedenktag, dessen Höhepunkt gefühlt immer näherkommt.
Ich erwerbe so ein Büchlein, reihe mich in die Schlange ein, komme ganz gut vorwärts und stehe plötzlich vor ihm. Ich reiche ihm das Druckwerk und blicke ihm dabei kurz in die Augen. Er schlägt es auf und fragt mich galant, welchen Wunsch der Verewigung er mir denn erfüllen dürfe. Kurzes Innehalten, dann meine impulsartige Entgegnung: „Für meine Antifa, Dein Kayvan“. Es stutzt nur kurz Sekundenbruchteile und lacht mich dann schallend an. Solch ein Ansinnen hätte er noch nie erlebt, erwidert er mir schmunzelnd, schreibt es nieder und reicht mir das Büchlein wieder zurück.
Dabei berühren wir uns zufällig und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Erschrocken wende ich mich von ihm ab und manövriere mich durch die Menschenmenge. Muss Luft holen und das Erlebte sacken lassen. Keine Ahnung, was gerade geschehen ist. Etwas konfus gehe ich auf die Toilette, um mich etwas frisch zu machen und spreche mir Mut zu, doch jetzt endlich auf den Punkt zu kommen, weswegen ich heute hier bin. Ich vernehme ein Glöckchen von draußen, das dazu aufruft, uns wieder auf die Plätze zu begeben, damit die Vorstellung weitergehen kann. Ich mach mich auf, komme an meinem Sitzplatz an, nehme meine Jacke, die dort obenauf liegt auf den Schoß und gelange langsam wieder zur Ruhe.
Kayvan schreitet wieder stilvoll auf die Bühne. Kurze Begrüßung und weiter geht es im Sauseschritt. Was steht an? „Die Schockstrategie“. Ein wundersames Instrument, „um uns auf die Knie zu zwingen“. Dass dies auch bei Flöhen funktioniert, erstaunt mich schon etwas. Nun, nach diesem Insekten-Beispiel leitet er geschliffen über zu einem seiner Lieblingsthemen, nämlich der C-Krise. Dort wurden wir geschockt durch all die eindringlichen Bilder von plötzlich umfallenden Menschen in China, den Särgen aus Bergamo und der Todesdrohung eines Virus, der uns alle vernichten wollte. Wir wären paralysiert und bereit gewesen, alle Maßnahmen kritiklos abzunicken, auch wenn sie noch so abstrus daherkamen. Diese Furcht vor einem unsichtbaren Feind, angestachelt von Politik, Wissenschaft und Medien, solle aus uns willenlose, fremdgesteuerte Zombies gemacht haben. Ich gehe einmal kurz in mich und gleiche das ab, was dieser selbsternannte Experte so von sich gegeben hat mit meiner geistigen Ausrichtung, meiner Wahrnehmung und stelle etwas verwirrt fest, dass da manche Dinge tatsächlich deckungsgleich sind. Jetzt aber aufgepasst, ja nicht vereinnahmen lassen. Ich greife zur Jackentasche, dorthin, wo mein sorgfältig präparierter Knallkörper schon länger darauf wartet, endlich zum Einsatz zu kommen.