Manchmal überfällt mich das Gefühl, nicht mehr mit der früheren Intensität am Leben teilzunehmen. Dann bläht sich mein Ego künstlich auf, wird aber sogleich entlarvt, um diesem erschaffenen Spuk ein Ende zu setzen. Nun, ich bin wohl einer jener Typen, die sich nicht immer im Griff haben, gewissen, anfangs initiierten Ereignissen freien Lauf lassen und dabei gerne auch einmal die Kontrolle verlieren.
Mein Freund Krishi unterstützt mich dabei tatkräftig: „Man muß starke, intensive Gefühle haben, weil der Geist nur durch die Gefühle höchst empfindsam wird. Benenne keine Gefühle, nehme sie bewußt wahr und du wirst sie unmittelbar verstehen. Bleibe bei deinem Gefühl, es gehört zu deinem Wesen, ist ein Teil von dir.“
Ja, damit kann ich etwas anfangen. Es dient zugleich als Alibi, wenn ich einmal wieder ins Schleudern komme und mich dem hingebe, weil es einfach so sein darf und ein Teil meines Wesens ausmacht. Und so sehe ich mich als praktizierender Amateur bei all meinem Tun, ohne mich damit abwerten zu wollen. Denn der Amateur hat seine Wurzeln im lateinischen „amator“, dem Liebhaber. Ich bin ein Mensch, der sich in der Liebhaberei übt und es zuweilen auch schafft, sich ihr wirklich hinzugeben.
Hingabe hat in meinen Augen auch immer etwas mit dem Herzen zu tun, wobei es hierbei graduelle Unterschiede zu geben scheint. Jemand, der sich zu den geistig Fortgeschritteneren zählt, könnte es so ausdrücken: „Um unser Gemüt, unsere Beziehungen, unsere materielle Realität zu heilen und an das Licht und Inspiration der höheren Ebene unseres Wesens anzuschließen, brauchen wir nichts weiter als Liebe. Nichts weiter als die Bereitschaft, unser Herz aufzumachen.“
Auf diesem Niveau bin ich wohl noch nicht angekommen, muss mir eingestehen, nicht allen Dingen und Menschen offenen Herzens begegnen zu können, geschweige denn zu wollen. Aber bleiben wir einmal bei der Liebe, insbesondere zu einem anderen Menschen. Ingo Mummert meinte dazu: „Die Liebes-Ideologie ist eine unbewußte Phantasievorstellung von "Liebe", auf die sich zwei Menschen nach der Paarbildung stillschweigend einigen, mit dem Ziel, nichts über die eigene Liebes-Unfähigkeit und ihre Ursachen zu erfahren.“
Das dürfte wohl die nackte Wahrheit sein der allermeisten Beziehungen in dieser Welt, wobei es mir fernsteht, darüber urteilen zu wollen. Wie sagte schon Meister Nautilus: „Man muss mit dem Material arbeiten, das einem zur Verfügung steht.“, wobei wir selbst das Material sind und nicht das Gegenüber.
Mir ist einmal ein Spruch aus der Lutherbibel ins Herz gesprungen, der mich überwältigt hat ob seiner kraftvollen Wirkung. Er lautete so oder so ähnlich: „Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“
An diese Erkenntnis knüpfe ich gerne an, verstehe sie und vergegenwärtige sie mir als Amateur, wann immer ich durch die Welt wandle. Mit der Umsetzung hapert es wohl zuweilen, was ich mir aber gleichmütig zugestehe. Und gerade in menschlichen Beziehungen übe ich mich darin, wobei selbst großartige Lyriker wie Rilke damit ihre Probleme hatten. Ein sinnbildhafter Satz von ihm, zeigt den Weg, mächtiger als 1.000 Worte: „Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies: einander lassen.“