Khan, ein berühmter Sufi-Meister erwähnte einmal, dass der Verstand die Illusion der Wirklichkeit ist. Wie meinte er das? Wenn dies der Wahrheit über unser Sein nahekommen würde, dann hätten wir hier auf Erden ein echtes Problem- und das haben wir auch in der von uns geschaffenen Realität. Was hat es aber mit der Wirklichkeit auf sich?
Der irische Dichter Shaw versuchte sich mit einer anderen Annäherung, der Wirklichkeit auf die Spur zu kommen. Er schrieb, dass die Schwierigkeit nicht darin bestehe, dass es keine Wirklichkeit gäbe, sondern darin, dass es so Wenige von uns erkennen, wenn wir ihr begegnen. Nach kurzem Kopfkratzen erschließt sich, was er meinte: Sie wäre wohl da, würde aber im Alltagsbewusstsein kaum zu erkennen sein.
Wissenschaftler sind mittlerweile etwas weiter als der Normalo. Bei ihnen hat sich größtenteils das Bewusstsein durchgesetzt, dass man es in der Wissenschaft weniger mit Wirklichkeit zu tun hat, sondern eher mit Modellen und Metaphern.
Hilft uns auch nicht unbedingt weiter, weshalb ich einmal den libanesischen Dichter Kahlin Gibran zu Wort kommen lassen möchte, der einen Bezug der Wirklichkeit in menschlichen Beziehungen herzustellen versucht: „Die Wirklichkeit eines anderen Menschen liegt nicht darin, was er dir offenbart, sondern in dem, was er dir nicht offenbaren kann. Wenn du ihn daher verstehen willst, höre nicht auf das, was er dir sagt, sondern vielmehr auf das, was er dir verschweigt.“ Diesen Aspekt gilt es später einmal näher zu beleuchten, da er eine echte Herausforderung darstellt im Umgang miteinander.
Dann gibt es noch Reverend Rahda, der eine ganzheitliche Betrachtungsweise zelebrierte und damit den Weg ebnen wollte, die Wirklichkeit als Ganzes zu erfassen: „Wenn du wirklich in den Knochen spürst, dass Körper, Geist, Gefühle und Gewissen untrennbare Teile einer organischen Welteinheit sind, kannst du auf alles liebevoll antworten. Auf diese Weise wird dich nichts innerlich zerreißen oder abtrennen- weder Angst, noch Krankheit und Schmerz, der Verlust eines geliebten Menschen und selbst das Bevorstehen des eigenen Todes- auf alles wirst du organisch antworten, ohne Furcht, ohne Hass.“
Eine weitere Annäherung zur Wirklichkeit lieferte Zeisel, welche ich in den Vordergrund stellen möchte. Er meinte, dass der Blick aus unserem Gefängnisfenster uns nur einen winzigen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigen würde, was durchaus nachvollziehbar ist. Er schrieb: „Die Welt ist die Oberfläche eines unfassbaren Geistes. Unsere Wünsche und Gedanken sind nur ein Wellenschlag darauf. Der Geist selbst ist unendlich. Sind unsere Gedanken ruhig, unsere Wünsche durchschaut, mögen wir eine Ahnung der Wirklichkeit erfahren. Ist der eigene Geist völlig regungslos, wird er selbst zur Wirklichkeit und die Welt um uns zu Traum und Illusion.“
Mit dieser Umschreibung sind wir wohl sehr dicht an der Wirklichkeit, dem tatsächlich Existierenden. Aber wir sollten uns nicht täuschen lassen, bei „allem Gewahrsein auch immer“. Ich behaupte, dass es uns nicht möglich ist, die Wirklichkeit zu erkennen und zu durchdringen, da uns hierzu das Werkzeug, die Sinne fehlen. Wie wollen wir das, was sich uns zeigt mit unserem Geist, unserem Verstand als Wirklichkeit erkennen? Und somit wären wir wieder bei unserem Sufi-Meister Khan, der uns rät, in Demut zu erlauben, dass wir akzeptieren sollten, dass wir nichts wissen. Aber diesen Sinnspruch hat er -glaube ich- von Sokrates adaptiert, der seitens Platon große Erwähnung erfuhr.