JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Mark Twain erwähnte einmal so nebenbei, dass der Sommer die Zeit sei, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war. Das mag wohl so sein, der Sommer beschert einem aber auch die angenehmen Dingen des Lebens, bei denen man gerne bereit ist, ihnen zu frönen. Khalil Gibran drückte es so aus: „Der Widerschein der Sonne in einem Tautropfen ist nicht weniger schön als die Sonne selbst, und die Spiegelung des Lebens in eurer Seele ist nicht weniger kostbar als das Leben selbst.“
Wenn man dann und wann die Sonnenstrahlen genossen hat, sehnt sich der Körper nach Abkühlung, ruft nach einem kühlen Nass. Dann wird es Zeit, sich das zu gönnen, im Freibad, Flüsschen oder See. Zuvor gilt es aber, sich seiner Körpermasse sachkundig zu machen, um das äußere Erscheinungsbild im Erträglichen zu halten.
Und was stellt man fest? Über die kühlere Jahreszeit hat man sich etwas Körperfett zugelegt, natürlich als reine Schutzmaßnahme vor der Kälte, sowie als Vorkehrung für eventuell bevorstehende prekäre Zeiten, bei der die Nahrungsmittel-Beschaffung nicht mehr so flutscht wie bisher. Plötzlich ertappt man sich bei der Beschäftigung von Abnehm-Maßnahmen, wie Diäten und Kieser-Training zur Körper-Ertüchtigung. Da man dort schon viel Erfahrung gesammelt und das meiste wieder verworfen hat, erkundet man neue Wege.
Und da wurde auch ich fündig! Ich bin ein „großer Esser“, der zuweilen gerne auswärts speisen geht und ich war äußerst erstaunt, eine Methode kennengelernt zu haben, die tatsächlich funktioniert. Darüber will ich ein paar Worte verlieren, um eventuelle Nachahmer zu ermuntern, meinem Wagnis zu folgen. Die Kur heißt „Gertenschlank im Nu“ und dauert keine zwei Wochen. Offeriert wird sie von einer Firma aus Italien namens „Buon cibo senza di me“, die mich sofort vereinnahmt hat.
Mein Ziel war, erst einmal fünf Kilo abzuspecken, um dann zu entscheiden, wie es weiter gehen soll. Hier sind die wichtigsten Lektionen, die man sogleich umsetzen kann bei einem Restaurant-Besuch:
- Bevorzuge grundsätzlich nur Lokale, bei denen man dem schwitzenden, unästhetisch aussehenden Koch bei seiner Arbeit zusehen kann. Falls das nicht immer möglich ist, sollte man wenigstens ein Lokal wählen, bei dem einem allein schon der Mundgeruch des Obers den Appetit verdirbt
- Wähle immer einen Platz im Restaurant aus, bei dem die Kellnerin vergeblich versucht hat, den Tisch zu säubern und der bestenfalls noch etwas trieft
- Beim Besuch eines asiatischen Restaurants sollte man sich vorab die Küche zeigen lassen, um die Speiseauswahl zu minimieren
- Wähle, falls möglich, immer einen Tisch, bei dem dir eine Mutter gegenüber sitzt, die gerade vergeblich versucht, ihr Baby zu füttern oder wähle eine Sitzgelegenheit in der Sichtnähe eines betagten Mannes mit Vollbart, der im Begriff ist, gierig eine Suppe auszulöffeln und dabei seine Brille vergessen hat
- Sehr wirkungsvoll ist auch ein Platz, der direkt am Herrenklo liegt, von dem aus man wunderbar dessen Aroma genießen kann. Oder, wenn sich die Gelegenheit bietet, wähle immer einen Tisch aus, bei dem man lautstark die Gespräche Anderer belauschen kann, wie etwa zweier Ärzte, die ihre letzte OP besprechen, welche misslungen war.
- Ein besonderes Vergnügen wird einem zuteil, wenn man ein Restaurant gefunden hat, bei dem gewiss ist, dass das bestellte Menü rein gar nichts mit dem zu tun hat, was man dann tatsächlich erhält
- Ähnliches geschieht bei manchen Gasthäusern, welche vergessen haben, die Speisekarte zu aktualisieren. Wenn dort Essen aufgetischt wird, das schon längst als schädlich gebrandmarkt oder die Karte so zerfleddert ist, dass man nach gut Glück bestellt und dabei gewiss ist, die falsche Wahl getroffen zu haben.
- Falls man nicht gerne allein speist, sollte man eine entsprechende Essgemeinschaft auswählen und darauf achten, dass deren Essgewohnheiten nicht den deinigen entsprechen, sie beispielsweise nur mit vollem Munde sprechen oder nicht imstande sind, mit Messer und Gabel zu dinieren.
- Ein wichtiges Auswahlkriterium eines Restaurants ist dessen Ambiente und der Service der gesamten Gaststätten-Mannschaft. Man wähle deshalb nur die Stätte, bei der zu erwarten ist, dass sie deinen Ansprüchen diametral entgegen steht.
Und da sind wir beim Erfolgsgeheimnis angekommen von „Buon cibo senza di me“, dieser Firma, welche dem Interessierten die Ratschläge seiner „Gertenschlank im Nu“-Kur kostenneutral zur Verfügung stellt. Denn, wie stellt man sicher, in ein Restaurant zu gehen, das den „Ansprüchen“ der Kur entspricht? Ganz einfach: Denen war klar, dass der geneigte Gaststätten-Besucher eine Unterstützung bei der Auswahl benötigt, um sicherzustellen, auch ja das richtige Lokal ausfindig zu machen.
So erfand man den „Pub Guide“, das Gegenteil des „Michelin Guide“, der seine Sterne nach völlig anderen Maßstäben als dieser verteilt. Mit fünf Sternen wird also ein Lokal prämiert, das sämtliche Kriterien erfüllt, dir das Essen zu verleiden und dir damit hilft, etwas abzunehmen durch etwas weniger Essensaufnahme. Und als Bonus-Geschenk: Ein unvergessliches Erlebnis ist einem allemal sicher.