Aus dem ersten Korinther Brief, Kapitel 13, dem „Hohelied der Liebe“, ist mir ein Sinnspruch besonders ans Herz gewachsen: „Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte, wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“ Diese Worte entfachen in mir ein inneres Freudenfeuer, das mich in selben Moment hinfort reißt in andere Gefilde, in eine andere Dimension. Ich lasse es dann einfach geschehen, lasse mich tragen, diesen Moment, der sich zeitlos anfühlt, der die Zeit zu überwinden vermag.
Es handelt sich dabei nicht an eine herbeigeführte Gefühlsanwandlung oder abgespeicherte Sentimentalität, die man per Knopfdruck initiiert. Dessen emotionaler Ausdruck, welcher gewisse Körperempfindungen ebenfalls auslöst, ist mir wohl bekannt. Ich nehme den Sinnspruch völlig anders wahr.
Da entsteht plötzlich eine tiefe Verbindung. Es ist eine Art Übereinkunft, etwas, das mit mir in Schwingung, in Resonanz geht. Wenn ich mich dann anderen Dingen zuwende, verblassen die Worte, die mich zuvor in den Himmel zu tragen vermocht haben. Sie verklingen so zart, wie die Farbe des Tones einer Klangschale, welche mit einem wattierten Klöppel angeschlagen wurde. Die Energie verbleibt dabei im Raum und wird erst aufgelöst, wenn man sich daraus entfernt.
Müssen wir uns jetzt ständig anklöppeln, um in einen verzückten Zustand zu geraten? Bedarf es etwa einer äußeren Einwirkung, um mitzuschwingen? Diese Frage ist selbsterklärend, geradezu selbstentlarvend.
Ich habe über viele Jahren Gedanken über die Liebe fabriziert, um letztendlich herauszufinden, was meiner Ansicht nach die einzig wahre Definition ist. Meine Deutung von Liebe musste unkompliziert und schmucklos sein. Irgendwann stellte sie sich ein, klopfte nicht an die Tür, sondern stand plötzlich im Raum: „Liebe ist ein Zustand, der sich einstellt in einem Menschen, wenn dieser einen bestimmten Bewusstseins-Zustand erreicht hat, der ihn erst dazu befähigt.“
Dabei gibt es keinerlei Unterschiede zwischen Selbstliebe, zwischenmenschlicher Liebe oder etwa göttlicher Liebe. Wenn die Liebe da ist, ist sie allseits präsent, immerdar und bedarf keiner äußeren oder inneren Anreize. Liebe ist kein Gefühl und wird auch nicht von Emotionen irritiert oder gar eingenommen. Liebe kann nicht kultiviert, erlernt oder entwickelt werden. Sie ist.
Von den nahezu unendlichen Erklärungsversuchen, was denn Liebe nun sei, fielen mir zwei besonders auf. Robert Johnson versuchte es einmal so zu erklären: „Liebe heißt immer auch Wärme, Freiheit und Offenheit. Wer liebt, gibt Wärme, schenkt Freiheit und ist ehrlich in der Beziehung.“ Reverend Rahda wiederum formulierte es ebenfalls treffend: „Güte und Liebe handeln aus sich selbst, ohne nach dem Warum zu fragen.“
Hinzu kommt noch eine „Charaktereigenschaft“ der Liebe, die sich im Herzen manifestiert: „Das Herz kennt kein Vielleicht, kein Zaudern und kein Überlegen. Der Verstand gleicht dem Lärm des Tages, das Herz der Stille der Nacht.“ Fakt scheint zu sein, dass Liebe wohl das Einzige ist, das sich mehrt, wenn du es verschenkst. Daraus kann man ableiten, dass nur derjenige Liebe erntet, der auch Liebe sät.
Wenn ich mich aus diesem Blickwinkel heraus betrachte, fällt mir auf, dass es da noch gewisse Schwachstellen zu geben scheint in meinem Sein. Gut, ich habe nie behauptet, wie Jesus über das Wasser gehen zu könne und belebe auch meine Untugenden. Aber das wenigstens mit vollem Bewusstsein und dem kleinen Hoffnungsschimmer der Besserung.