JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse


Vor Kurzem war ich auf einer Veranstaltung, bei der allerlei Koryphäen auftraten, die ihre Fähigkeiten dem Publikum feilboten. Man nennt sie Zauberkünstler, Hypnotiseur, Magier und Illusionist. Bei ihnen spürt man die Mehrdimensionalität des Seins- wenn man sich vorbehaltslos auf sie einlässt. Da geschehen Dinge, die man nicht erklären kann. Selbst bei wissenschaftlicher Überprüfung manch wundersamen Geschehnissen bleibt vieles ein Rätsel.
Da lief ein Mann blind durch die Zuschauerränge, ohne irgendjemanden zu berühren, da sprach ein unlängst Verstorbener gutmütig zu seinen anwesenden Verwandten, da entfesselte sich eine Frau unter Wasser, ein älterer Herr verbog lässig ein paar Löffel aus Edelstahl, ein Sufi durchbohrte seinen Körper mit drei Dolchen und dann noch der Exot osteuropäischer Abstammung, der vor aller Augen Gegenstände verschwinden ließ.
Alles sehr beeindruckend, vor Allem, wenn man sich bewusst ist, dass das geschieht im Beisein von einem selbst, dass man mittendrin ist, lebensecht, hautnah. Wenn man dem offen begegnet, wird alles Dargebotene Realität, unverblümt, es geht einem unter die Haut, der man sich nicht entziehen kann.
Zur Erholung, um wieder etwas zu Atem zu kommen, verließ ich den Saal und gönnte mir draußen im Vorraum ein Gläschen Sekt. Erstaunt stellte ich fest, dass in dem Gebäude noch weitere Aktivitäten zu bestaunen waren.
Da war eine kleine Esoterik-Messe, auf der ich mich überreden ließ, einen sprechenden Plastik-Fisch als Wandschmuck zu kaufen, der bei Annährung schöne Mantra-Sprüche von sich gibt. Ich ging dem Verkäufer wohl auf dem Leim, war kurz davor, ein Massagebett zu kaufen, was meine Finanzen gesprengt hätte und rettete mich gerade noch mit dem Fisch. Der wurde bislang nicht ausgepackt, fristet im Keller sein Sprachtalent und wartet noch auf die Gelegenheit, verschenkt zu werden.
Dann kam die sympathische Wahrsagerin, von der ich mich verführen ließ, mir meine Zukunft vorauszusagen. Sie war genauso, wie man sich so eine Dame vorstellt, in kostbarem, buntem Gewande, das dritte Auge auf der Stirn lebensecht verewigt und strahlte eine Aura aus, die einen so verzauberte, dass die Spende, welche man in den Kreisen auch „Energieausgleich“ nennt, ein großes Loch in meine Geldbörse verursachte. Aber sei´s drum, die Chance musste ich nutzen. Als sie dann ihre Kristallkugel nach mir befragte, ich ganz Ohr, war ich dann doch irgendwie etwas verstört, da ich glaubte, dass es sich um eine Verwechslung handeln müsse.
Ich sei im 5. Monat schwanger- es wird ein Mädchen. Meine Tätigkeit als Hostess würde ich demnächst aufgeben, und ich sollte mir nicht die Möglichkeit einer sich anbahnenden, neuen Partnerschaft verbieten- er hieße Peter. Als sie dabei gerade die Augen geschlossen hielt, nahm ich Reißaus. Es sei kurz erwähnt, dass ich am nächsten Tag spontan eine Frauenärztin aufsuchte, die mir bestätigte, dass ich ein ordinärer Heteromann bin.
Keine zwei Stunden später nach diesem Erlebnis, als mein Puls wieder einigermaßen runtergekommen war, wagte ich mich wieder in den Saal der Zauberkünstler. Dort stand ein Hypnotiseur auf dem Podest und suchte gerade Opfer für seine Experimente. Ich, noch auf der Suche nach meinem Platz, ließ mich vom Publikum überreden, doch gleich auf die Bühne zu kommen. Was dort dann geschah, ist mir nur vom Hörensagen bekannt, will ich nur kurz umreißen:
Unter Trance wurde ich zu einem Hund. Wohl ein Bullterrier, da ich heute noch von irgendwelchen Anwälten ersucht werde, von in Mitleidenschaft Gezogenen Rechnungen für zerrissene Kleidung, medizinische Versorgung und Psychotherapie zu begleichen.
Auch der zweite Versuch schien missglückt zu sein, als ich ihm als Medium dienen und dort nur Hilfsdienste ausführen sollte. Ich wurde zum gaggernden Huhn degradiert und erhielt den Befehl, mir bestimmte Utensilien von den Zuschauern aushändigen zu lassen, die er seinem Zauber-Kollegen überlassen wollte. Geplant war, dass diese Sachen in Blitzeseile wieder zu ihrem Besitzer zurückkehren sollten.
Ja, sollten, denn in meinen hypnotisierten Gehirnwindungen waren wohl noch andere Dinge verankert, die dann zu Ausbruch kamen. Ich sammelte wohl alles Mögliche von den Zuschauern ein, Schuhwerk, Uhren, Handys, Schmuck und Geldbörsen, warf alles in einen blauen Abfallsack. Aber, anstatt diesen dem Hypnotiseur zu überreichen, nahm ich die Hintertür und lief auf die Straße. Dort angekommen, rannte ich zur Fußgängerzone, entleerte den Abfallsack und warf alle Utensilien um mich herum, wobei sich nicht nur die Flaschensammler über die fette Beute freuten.
Ich wills kurz machen. Gefunden hat man mich Tage später in einem Hühnerstall auf einem Bauernhof. Da ich keine Eier legte, übergab man mich der örtlichen Polizei, enthypnotisierte und entließ mich wieder als vollwerten Menschen. Ob ich jetzt schon durch bin und das Hühnerhafte ganz abgelegt habe, dabei bin ich mir nicht sicher.
Nach längerem Sitzen ertappe ich mich noch heute, wenn ich während des Aufstehens verklärt auf den Sitz zurückblicke und mir ein leichtes Stechen signalisiert, dass die Eiproduktion heute mal wieder nicht geklappt hat.