JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Arthur Schopenhauer brachte es damals auf den Punkt: „Man muß einsehen, dass es gegenüber Dummköpfen und Narren oft nur einen Weg gibt, diesen zu begegnen: Indem man nicht mit ihnen kommuniziert.“ Diese Einsicht scheint ein gangbarer Weg zu sein, selbst wenn man es kaum aushält und sich eigentlich gezwungen sieht, Stellung zu einem Thema zu beziehen, wohlwissend, dass man beim Gegenüber auf Granit beißt.
Ein jüdisches Sprichwort umschreibt es noch etwas deutlicher. „Am rechten Ort das rechte Wort, hilft wohl in allen Lagen fort. Und doch gebühret dem der Preis, der -wenn es gilt- zu schweigen weiß.“ Dieser bewusste Akt der Nichtreaktion bedarf aber der Übung und darf wiederum nicht dazu führen, Dinge in sich hineinzufressen. Bei Häufung unterschiedlicher Meinungs-Verschiedenheiten muss man sich überlegen, den Kontakt überhaupt aufrecht zu erhalten. Der Preis des inneren Kompromisses, den man dafür zahlt, könnte einfach viel zu hoch sein.
Der Gesundheitsberater Dr. Bragg erwähnte einmal in einem Gespräch, dass man sich selbst fragen sollte, bevor man etwas sagt, ob es wahr, liebevoll und überhaupt notwendig ist. Diese Anleitung kommt in meiner kleinen Welt nicht vor, eher das Gegenteil:
Davon ausgehend, dass jeder Mensch seine ureigene Wahrnehmung innehat und ihn somit auch seine eigene, individuelle Wahrheit prägt, bedarf es nicht unbedingt meiner umsichtigen Überlegung, den Wahrheitsgehalt meiner Aussage auf die Goldwaage zu legen. Davon abgesehen, ist für mich meine eigentliche Intention gegenüber einem Gesprächspartner wesentlicher, als irgendwelche Schein-Wahrheiten. Dabei sind Provokation und Irritation zwei Elemente, die ich gerne nutze.
Dann das mit dem „liebevoll“, was ich so auch nicht einfach unterschreiben will, da ein Gespräch auf sehr unterschiedlicher Weise erfolgen kann und die Herzens-Liebe dabei nicht immer im Vordergrund steht. Situativ ist es dagegen erforderlich, sich sehr differenziert einzubringen. Einen feindlichen, verbalen Angriff beispielsweise wehrt man nicht immer mit freundlichen Worten ab.
Eine Überlegung hat für mich hingegen einen hohen Stellenwert, nämlich dem Anderen die Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu wahren. „Schwierige“ Unterhaltungen unter dieser Prämisse bedürfen selbstverständlich einiger Trainings-Einheiten, vor allem dann, wenn man eigentlich gerade das Gegenteil bewirken möchte. Hierzu nehme man sich zur Übung irgendjemanden Unsympathischen, der einen völlig abstrusen Standpunkt vertritt- vielleicht deinen Partner.
Wenn dann zwei Welten aufeinanderprallen, es zwei Wahrheiten gibt, dann viel Spaß mit der „Liebe“ und der Frage, ob es dieser Unterhaltung überhaupt bedarf. Dann ist es doch viel besser, man geht bestimmten Themen einfach aus dem Weg und konzentriert sich auf die Dinge, bei denen man einen gemeinsamen Nenner gefunden hat. Es soll ja langjährig erfolgreiche Partnerschaften geben, trotz leichten Unstimmigkeiten. Kopfschüttelnd und fast sprachlos, was bei mir schon einiges heißen mag, sehe ich in meinem persönlichen Umfeld Menschen zusammen leben mit völlig unterschiedlicher, geistiger Ausrichtung.
Eine kleine Auswahl gefällig? Der eine wählt Grün, der andere AfD. Der Eine hat sich mehrfach spicken lasse, der andere ist ein klarer Impf-Verweigerer. Der eine isst Fleisch für sein Leben gern, der andere ist Veganer. Der eine vertraut den Politikern, der andere ist davon überzeugt, dass dieses Vertrauen auf Sand gebaut ist. Der eine ist ein purer Materialist, der andere bewegt sich auch auf der spirituellen Ebene.
Früher hatte ich diese Art von konträrer Verbindung verurteilt, da ich dachte, dass eine Partnerschaft immer auch irgendwie etwas mit Liebe zu tun haben müßte- ein Trugschluss. Heute ist es für mich vollkommen OK, dass Menschen auch ohne herzliche Verbindung oder übereinstimmende Weltanschauung zusammenleben. Ohne es abfällig dastehen lassen zu wollen, sind das dann Partnerschaften aus Gewohnheit und somit Zweckgemeinschaften. Bei leichter Schieflage wird dann abgewogen, was eine neue Verbindung bringen würde. Aber lassen wir das und kommen zurück.
Bei aller Kommunikation im außen, findet der geistige Austausch zumeist im Inneren statt in Form von Gedanken. Und dieses Zwiegespräch erfolgt unablässig, wobei es bei gewissen Problemen einen sehr großen Raum einnimmt. Eugen Herrigel, der ein Büchlein über „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ verfasst hat, kommt auch hier auf den Punkt, übertragen auf unsere Gedankenwelt: Die rechte Kunst der Gedanken ist absichts- und zwecklos. Je hartnäckiger du dabeibleibst, das Abschießen des Pfeiles erlernen zu wollen, damit du das Ziel sicher triffst, umso weniger wird es dir gelingen. Es steht dir im Weg, daß du einen viel zu willigen Willen hast. Was du nicht tust, das, meinst du, geschehe nicht.“
Aber dieses Fass will ich jetzt nicht aufmachen. Vielleicht, um meine Ansicht zum Bogenschießen noch zum Ausdruck zu bringen: „Während du den Bogen in der einen Hand hältst und ihn zum Ziel hin ausrichtest, umschließen die Finger der anderen Hand den Pfeil, der an der Bogensehne fixiert ist. Dann spannst du den Bogen, peilst dein Ziel an und löst den Pfeil.“ In dieser bildhaften Anschauung gibt es das Bewusstsein, der Bogen, dann den Pfeil, der Gedanke und das Ziel, das du erreichen willst. Und wie im Bogenschießen, triffst du dein Ziel mehr oder weniger, triffst genau ins Schwarze auf der Zielscheibe, etwas daneben oder vorbei. Einem geübten Sportschützen gelingt es dabei besser zu treffen, als einem Amateur. Jemandem, der sich in der Disziplin der Gedanken-Auseinandersetzung trainiert, ebenfalls.
Bei aller Irritation in Gesprächen kommt noch die Fehlinterpretation hinzu. Vor kurzem war ich in einer Tierhandlung, um mir einen neuen Schimpansen zuzulegen. Hierbei fragte ich den Fachverkäufer, ob sie auch Affen hätten. Der antwortete mir, dass er seinen Chef holen müsse.
Einen draufgesetzt hat mein Kumpel, der gemeinsam mit seiner Freundin Marie eine richtige Kreuzfahrt unternehmen und dabei ihre Mutter mitnehmen wollte. Marie fand das gar nicht witzig und frage ihn, ob er nicht alle Tassen im Schrank hätte, da man bei der Kreuzfahrt ja allen Stress über Bord werfen wolle. Er antwortete ihr, dass dies der eigentliche Grund wäre, ihre Mutter mitzunehmen.