Fangen wir mit einer Frage an: Wenn meine Wahrnehmung auf vorhandenem Wissen beruht, wie kann ich Neues wahrnehmen, mich ändern, wachsen? Vielleicht kommen wir zu einem Verständnis, wenn wir uns mit dem Sehen beschäftigen. So ist Sehen ist ein wunderschönes Beispiel der Wahrnehmung: Die eingehenden Seh-Impulse werden in Grundformen, -farben, und -muster unterteilt. Dann werden diese mit ähnlich gespeicherten Erinnerungen abgeglichen, durch Emotionen, sprich zugeschriebenen Erinnerungen ergänzt. Schlussendlich wird alles zu einem „Bild“ verbunden, das 40 Mal / Sekunde an den Stirnlappen gesendet wird. Sehen ist also wie eine Aneinanderreihung von Bildern, ein Film mit 40 Hertz. Wir malen sozusagen alles, was wir sehen- ein wunderschöner Gedanke, finde ich.
Ein Beispiel gefällig? Du gehst im Wald spazieren und schaust dich um. Dabei malt dein Gehirn tatsächlich jedes einzelne Blatt an jedem einzelnen Baum. Es malt sie anhand Erinnerungen oder Neuronennetze von Blatt, Farbe, Größe und Form, verbindet diese und setzt sie zusammen.
Wer malt jetzt eigentlich, das Auge, oder das Gehirn? Das will ich veranschaulichen am Beispiel eines Schlaganfall-Geschädigten. Bei diesem Fall wurde ein Gehirnareal beschädigt, dass es dem Patienten nicht mehr ermöglichte, Nasen zu sehen. Egal, was die Wissenschaftler auch anstellten (Probanden mit Pappnasen, Alternativ-Körperteilen oder ohne Nase), der Patient erkannte das gegenüber immer mit normaler Nase. Er formte sich diese somit aus seinen Erinnerungen, das Gehirn malte das Bild „Nase“, nicht das Auge.
Relativ einfach fand man auch heraus, dass es zu den gleichen Gehirnmustern kommt, ganz gleich, ob man etwas anschaut oder nur visualisiert.
Kommen wir zur Wahrnehmung, welches natürlich begrenzt sein muss, um nicht wahnsinnig zu werden von der Flut an Informationen. Über unsere fünf Sinne strömen etwas 400 Milliarden Bits pro Sekunde ein, von denen nur etwas 2000 Bits in unser Bewusstsein gelangen, das ist ein 200 Millionstel, das wir verarbeiten.
Was wird weggekickt, herausgefiltert von Bekanntem, und was ist eigentlich mit Unbekanntem? Dann wird es wieder so richtig spannend, wie unser Gehirn mit Unbekanntem umzugehen pflegt. Wenn du also etwas siehst, das du nicht genau identifizieren kannst, greift dein Gehirn auf etwas Ähnliches zurück. Und falls es nichts Ähnliches gibt, dann ist es für dich nicht mehr real, du verwirfst es spontan. Wir nehmen somit nicht die Realität wahr, sondern ein kreiertes Bild, geformt aus unseren Sinneseindrücken, plus Assoziationen aus unseren riesigen Neuronennetzen. Wir erschaffen unsere Version der Welt.
Maßgeblich daran beteiligt sind unsere Emotionen, die letztendlich darüber entscheiden, wohin unsere Aufmerksamkeit gerichtet wird, was zu einem Gedanken wird. So haben wir auch die einzigartige Fähigkeit, etwas nicht zu sehen, das wir einfach nicht sehen wollen.
Gibt es jetzt eine Lösung, das Neue, Unbekannte zu entdecken, ohne wieder in alte Gefilde zurückzufallen. Ja, durch Selbstbeobachtung, indem man sich beim Gewohntem ertappt und dann etwas Neues tut. Man muss sich in den Hintern treten und für tiefsinnige Fragen offen sein, neue Emotionen erlauben und somit neue neuronalen Netze schaffen. Don Juan erzählte davon in “Reise nach Ixtlan“: „Man muss um sich selbst herumschleichen!“
Kommen wir zum Schlusswort: Wie du schon des Öfteren gehört hast, erschaffst du dir deine Welt, die du wahrnimmst. Und wenn dir das bewusst ist, dann fang einmal an, dir eine Neue zu schaffen. Eine, die dich trägt, in der die freudvollen Momente vermehrt werden und Dinge passieren dürfen, die dir und deiner Umwelt guttun.