JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Beim Aufräumen meines Zettelkastens, in den ich nach alter Manier noch heute Gedankenfetzen, Fremd- und Eigen-Sinniges hineinwerfe, fand ich eine alte Notiz, die ich gerade nicht imstande bin, eindeutig zuzuordnen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es etwas mit Mausfeld zu tun haben könnte. Da steht folgendes drauf:
- Bedeutungszusammenhänge durch Fragmentieren unsichtbar machen
- Demokratie ist eine notwendige Illusion, das Ideal der Mächtigen
- Westliche Demokratien sind tatsächlich allesamt Oligarchien
- Demokratie und Neo-Liberalismus sind miteinander unverträglich
- Was sind die Voraussetzungen, dass der Bürger diese Schein-Demokratie akzeptiert?
.Man muss ihn entpolitisieren, ihn in einen apathische und zynischen Zustand bringen.
.Die Techniken hierzu sind
Apathie-Induktion durch Sorgen, Ängste oder Konsum
Meinungs-Management
Illusion der Informiertheit durch Flutung von Informationen
Empörungs-Management
- Die Aufrechterhaltung der Schein-Demokratie ist billiger als Gewaltanwendung
- Selbsteinschätzung-Verhaltens-Paradox mit der Folge, dass moralische Grundsätze benebelt werden und klare Fakten unsichtbar werden
Ja, ich glaube, das war aus einem Internet-Vortrag von „Warum schweigen die Lämmer?“, den es auch in Buchform gibt, Erscheinungsjahr 2015. Ich habe ihn schon live erlebt, als er während einer Vortragsreihe „Demokratie am Abgrund?“ nach Stuttgart kam.
Ein ruhiger, besonnener Typ, dieser sich im Teil-Ruhezustand befindliche Prof. Dr. Rainer Mausfeld. Eine außerordentliche Koryphäe im Bereich Wahrnehmungspsychologie und Kognitionswissenschaft.
Es ist schon ein paar Tage her, als er seine Rede hielt, der ich glücklicherweise beiwohnen durfte. Der Saal war voll und die dort Versammelten hingen andächtig an seinen Lippen, folgten seinen Ausführungen und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Seine Argumentationsketten der in den Raum gestellten Theorien, Axiome und davon abgeleiteten Theoreme waren stimmig und wissenschaftlich mehrschichtig untermauert.
Und, natürlich, wie bei allen aus der Reihe scherenden Geistesgrößen wird er in der Öffentlichkeit als „kontrovers“ bezeichnet. Man versucht ihn als vereinsamten Wissenschaftler darzustellen, der sich seine Reime hübsch zusammengeschustert habe. Eine dieser typischen Strategien, jemanden einfach so abzutun, ihn zu ignoriert oder als seltsamen Vogel beiläufig zu belächeln.
Ich, für meinen Fall, fand seinen Auftritt super, war fast schon überwältigt, wie groß seine Werkzeugkiste war, vollgespickt mit sachlichen Argumenten. Und völlig klar, dass bei diesem alten, weisen Mann kaum jemand wagt, sich direkt mit ihm anzulegen.
Nach dem bedeutsamen Vortrag ließ ich es mir jedenfalls nicht nehmen, meinen Obolus für seine Glanzleitung zu zollen. Ich eilte zu ihm auf die Bühne, sank dort zu Boden vor seinen Füßen, zauberte ein weißes Tuch aus meiner Jackentasche und polierte ihm symbolisch die Schuhe. Diese Art von Respekt-Bekundung kommt bei mir äußerst selten zum Vorschein, zumal man heutzutage neutrale Autoritäten wie Mausfeld wie Stecknadeln im Heuhaufen suchen muss.