JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse


Es heißt, dass nur derjenige, der gegen den Strom schwimmt, zur Quelle der Wahrheit gelangt. Aber ist dem wirklich so? Wird nicht jedes Fließgewässer aus unterschiedlichsten Quellen gespeist? Somit ist letztendlich jeder Tropfen beteiligt am Strom, jeder Regentropfen, jedes Rinnsal, jedes Bächlein trägt dazu bei. Alles verbindet sich miteinander und fließt gemeinsam, in sich vereint.
Somit wäre die Aussage, dass man die Wahrheit an der Quelle finden könnte, auch wenn sie rein symbolisch gemeint ist, unkorrekt, ein Missverständnis. Wo aber kann man sie dann finden, die Selbsterkenntnis? Und wir müssen uns wohl auf die Selbsterkenntnis beschränken, da die Wahrheit, zu der wir gelangen können, eigentlich nur unsere eigene sein kann, es unendlich viele Wahrheiten gibt. Natürlich existiert auch die absolute Wahrheit. Nur sind wir von dieser so weit entfernt, dass es mir schwerfällt, dies bildhaft auszudrücken. Und ich spreche es jedem jemals gelebten oder heute noch lebendem Menschen ab, auch nur einen Hauch davon erfahren zu haben.
Wie ist das aber mit unserer Selbsterkenntnis, vor allem, wenn wir den Trugschluss erkannt haben, diese nur an der einen Quelle finden zu können? Denn diese eine Quelle kann verunreinigt, vergiftet, getrübt oder von künstlicher Natur sein. Da rühmen sich Menschen, den Stein der Weisen gefunden zu haben, dabei ist es nur ein Splitter.
Hierzu fällt mir gerade eine wunderbare Geschichte ein. Vor langer Zeit einmal auf dem Olymp befand der „Göttervater“ Zeus, dass es an der Zeit wäre, den Menschen den Stein der Weisheit zu überbringen. Er glaubte, wir wären jetzt soweit. Es handelte sich dabei um einen fußball-großen Diamanten, der entsprechend wog. Bei der Frage an die Götterschar, wer diesen Stein hinunter zu den Menschen bringen wolle, tat sich ein junger Gott hervor, der energisch bekundete, dass er der richtige sei.
Stirnrunzelnd, aber erfreut über den hochdynamischen Jüngling reichte er diesem den riesigen Diamanten, mit dem er sich sofort auf den Weg machte. Freudstrahlend rannte er den Berg hinunter. Auf halben Weg stolperte er und fiel hin. Dabei entglitt ihm der Stein, der sich seinen Weg nach unten bahnte und, unten angekommen, in tausende Teile zersplitterte.
Epilog: Wenn heute jemand auf der Suche nach der Wahrheit den Stein der Erkenntnis gefunden zu haben glaubt, hält er dagegen nur einen Splitter davon in seinen Händen.
Und jetzt, was damit anfangen? Erst gar nicht suchen, da sowieso vergeblich und sich damit abfinden, der Wahrheit niemals auf die Spur zu kommen? Oder trotzdem, oder gerade deswegen sich auf den Weg machen, den Weg der Erkenntnis, der mit der Wahrheit Hand in Hand geht? Das bleibe jedem selbst überlassen. Es gibt aber noch einen dritten Weg, der beide Möglichkeiten einbezieht. Und dieser wäre, die eigne Begrenztheit einfach zu akzeptieren und trotzdem freudig in den Fluss der Erkenntnis einzutauchen.