JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Da existieren Wortgebilde, die man so im Vorbeigehen quittiert, ohne ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken, die ihnen eigentlich gebühren. Eines davon kursiert zuweilen in den Medien und ist für mich so bedeutsam, es einmal unter die Lupe zu nehmen. Aber lasst mich erst einmal einleitend etwas ausholen.
Bis vor Kurzem war man sich darüber einig, was Dichtung und Wahrheit sei, was selbst- oder fremdkreiert und was Tatsache ist. Die Deutung beruhte sozusagen auf dem Abwägen des Wahrheitsgehaltes unter der Prämisse, genügend Argumente in Händen zu halten, die man in die Waagschale werfen konnte. Es gab einen Diskurs im relativ uneingeschränkten Debattenraum, bei dem das Publikum sich seine Meinung über einen bestimmten Sachverhalt bilden konnte.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich ein bekennender Anhänger bestimmter Diskussions-Foren im Fernsehen war, in denen konträre Aussagen hitzig diskutiert wurden. In denen ein bunt gemischter, ausgewogener Kreis über ein bestimmtes Thema stritten und jeder den gleichen Zeitrahmen erhielt, sich zu artikulieren. Man rang buchstäblich um die Wahrheit.
Dann gab es dort noch TV-Programme, bei denen eine provokant aufgestellte These knüppelhart beleuchtet wurde. Eine Serie hieß „Der heiße Stuhl“. Hierzu wurde eine Person in den Mittelpunkt gerückt, welche seine Ansicht gegen fünf Kontrahenten verteidigen musste. Dies war zumeist ein interessantes Spektakel, das oftmals ausuferte. Leider wurde es immer mehr verwässert, bis es wegen Bedeutungslosigkeit gestrichen wurde.
Die heutigen, armseligen Diskussions-Runden im Fernsehen hingegen sind klar orchestriert und verkünden eine klare Botschaft an den Zuschauer. Wer dort als Fremdkörper in „der Höhle der Löwen“ teilnehmen darf, wird vorgeführt, beleidigt und diskreditiert. Er muss sich gegen das gesamte Aufgebot erwehren, wobei noch hinzukommt, dass seine Redezeit extrem eingeschränkt wird.
Dies trägt natürlich nicht unbedingt dazu bei, sich eine eigene Meinung über ein Thema bilden zu können, eher das genaue Gegenteil. Irritiert oder abgestoßen bleibt man oftmals zurück und fragt sich, was man sich da gerade angetan hat. Und damit komme ich zum Wort des Jahres 2016, das von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) einstimmig gewählt wurde. Es hieß: „postfaktisch“ und bezeichnet das Denken und Handeln, bei dem Fakten keinerlei Relevanz besitzen.
Eigentlich wurde es gekürt im politischen Zusammenhang mit „Fehlinformationen“ aus den alternativen und sozialen Netzwerken. Wenn man sich aber anschaut, was heute abläuft unter unser aller Augen, dann ist der Begriff „postfaktisch“ allgegenwärtig und im ständigen Gebrauch der Medien und Politik. Wie steht es so schön geschrieben auf Wiki: „Zu den Mitteln dieser Politik gehören offensichtliche Lügen, ebenso wie die Flutung des Diskursraums mit irrelevanten Fakten zur Ablenkung vom Wesentlichen.“ Laut Habermas werden im so genannten postfaktischen Meinungsstreit Tatsachen abgestritten, von ihnen abgelenkt oder ihr Sachgehalt verwässert, ohne dass dies entscheidende Relevanz für das Zielpublikum hätte.
Und hier sind wir angelangt, auch mit Hilfe der Konsens-Wissenschaft, die sich einig ist über Klimakrise, Energiewende, Migrationsströme, Atomwaffenstationierung, MultiKulti oder Geschlechtsidentitäten, um nur einen Bruchteil zu nennen von den Vorgängen, die uns maßgeblich beeinflussen. Scheinbar hat ein Großteil der Bevölkerung schon kapituliert vor der Wahrheit oder arrangiert sich nach dem Motto: „Die Welt will betrogen werden, also lass sie uns betrügen.“