Lasst uns einmal über Partnerschaft reden und dabei versuchen, gewisse Vorurteile zu bestätigen oder zu beseitigen. Eines schlummert schon lange in manch Hinterköpfen und behauptet: „Partnerschaft und Sexualität gehören zusammen, sie sind untrennbar miteinander verbunden.“
Wer dies verinnerlicht hat, stößt früher oder später an seine natürlichen Grenzen. Man stelle sich vor, da sind zwei frisch Verliebte, die ihr körperliches Begehren ausgiebig zelebrieren. Wie lange hält dieses Empfinden, das Verlangen nach Befriedigung in dieser Partnerschaft an? Welche Formen der Sexualität nimmt dieses Begehren an, damit das Feuer nicht erlischt, das ja einen mächtigen Bestandteil dieser Beziehung ausmacht?
Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass das Feuer niemals ausgeht und Begehren ein fester, unumstößlicher Bestandteil einer besonderen Beziehung ist- muss aber nicht. So, wie sich das Wesen eines Menschen über die Zeit kontinuierlich oder spontan zu verändern vermag, solange er nicht am Gestern festhält, verändert sich auch sein Sexualverhalten, seine Bedürfnisse der Befriedigung, sein Verlangen und seine Traum-Projektionen im Kopf.
Wenn man sich von der Vorstellung befreit, dass der Lebensgefährte der Allzeit-Liebespartner sei, mit dem man immer und immer wieder über Jahre das gleiche sexuelle Erlebnis zelebrieren wird, schafft man sich damit neue Freiräume.
Wer sagt denn, dass einem der Partner von heute morgen noch attraktiv erscheint? Und was geschieht mit einem, wenn man feststellt, dass sich irgendwann einmal so etwas wie Langeweile einstellt beim Praktizieren der Liebesarbeit?
Ich will es nicht unbedingt schlechtreden, aber Sexualität dürfte eine Art Grundbedürfnis des Menschen sein, welches eigentlich von Natur nur ausgelegt ist, der Vermehrung seiner Spezies zu dienen. In westlichen Beziehungen, bei denen sich die Partnerschaft auf zwei Personen begrenzt, heißt dies, dass es maximal ein mal im Jahr zu Geschlechtsaktivitäten kommt, bis die Frau schwanger ist. Wenn der Akt sozusagen vollbracht ist, wenden sich beide Geschöpfe wieder anderen Tätigkeiten zu.
Diese Art von Praxis soll es tatsächlich geben in unserer Gesellschaft. Sexualität reduziert auf die Vervielfältigung seiner selbst und im anderen Fall deren Abwertung als reine, ungezügelte Trieb-Feder.
Jetzt gehe ich einmal davon aus, dass der geneigte Leser dieser Zeilen eine etwas differenziertere Auffassung von Sexualität aufweist, als die soeben dargestellte. Dass sich in seinem persönlichen Erfahrungsschatz völlig andere Affinitäten befinden, die aus früheren Beziehungen herrühren und sich im Heute kristallisiert haben, mit oder ohne aktuellem Partner.
Und irgendwie sind wir doch alle versucht, in einer Beziehung alle Elemente entsprechend der eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Beim Thema Sexualität wird es spannend, da sich die Bedürfnislage im Laufe der Zeit wandelt, wie schon erwähnt. Wie damit umgehen?
Hier zeichnen sich viele, potentielle Möglichkeiten ab, wobei es immer der ehrlichen Übereinkunft beider Beteiligten obliegt, welchen Weg man einzuschlagen bereit ist. Die gemeinsame Analyse, welchen Stellenwert Sexualität in der Beziehung gerade hat, scheint- nüchtern betrachtet -eine gesunde Basis zu bilden. Es ist aber eher ein achtsames, zartes Ausloten, die eigene körperliche Bedürfnislage zu ergründen und die des Gegenübers. Darauf aufbauend legt man behutsam fest, wie bedeutsam Sexualität in der Beziehung gerade ist, wobei sie zwischen Null und 100 verortet werden kann.
In einer Beziehung spielt es somit absolut keine Rolle, ob Sexualität überhaupt stattfindet oder nicht. Punkt! Es bedarf ausschließlich des gegenseitigen, liebevollen Einverständnisses beider Beteiligten. Somit ist dieser Drops aus meiner Sichtweise gelutscht.
Bleibt noch die lästige Frage, wie man Sexualität in einer Beziehung aufrecht erhält, falls man sich dazu entschlossen hat, dass sie tatsächlich stattfinden darf. Diese Frage füllt ganze Bücher und sollte individuell festgelegt werden, ohne sich davon total abhängig zu machen oder sich vollkommen zu begrenzen. So bekam ich einmal zufällig mit, wie zwei ältere Eheleute dieses Thema intern geregelt haben:
Er fragte sie: „Übrigens, wie viele Männer hast du in letzter Zeit eigentlich gehabt?“ Schweigen. "Verzeih mir", flehte er. "Eine dumme Frage, ich weiß, ich habe kein Recht... Bitte, vergiss es." Nach einer Stunde schwieg sie immer noch. "Bist du mir noch böse?", fragte er ängstlich. "Unsinn!" knurrte sie. "Ich zähle noch."