JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse


Da kommt er- am Stock. Gemächlich und achtsam steuert er auf uns zu, auf die, die zu ihm gekommen sind, um…ja, um was? Warum bin ich hier, was hat mich geleitet? Diese Frage stellte ich mir noch nicht, stellte sie ganz hinten an, da sie am Anfang keine Relevanz hatte. Ich wollte ihn etwas kennenlernen, ihm nahe sein und zuhören, ihm zu gewissen Zeiten im Zwiegespräch meine Fragen stellen. Ich wollte mich einfach auf ihn einlassen und dann in mich hineinhören, was das alles mit mir macht.
Leider hatte ich außer Acht gelassen, dass da noch einige Andere auf seinem Seminar waren, das fast eine Woche andauerte und so ganz anders verlief, als man sich so einen Kurs vorstellt. Es war angenehm hier im Juli 2024, nicht zu heiß. Einmal im Jahr kommt er hier an diesen Ort, „Lichtquell“ genannt, im südschwarzwäldischen Todtmoos und Bajram freute sich außerordentlich, seinen Freund und Wegbegleiter dieses Jahr wieder in seinem Haus begrüßen zu dürfen.
Und es ist etwas Besonderes, dieses Lichtquell-Lehrzentrum, in dem man sich sorglos entfalten kann, liebevoll gestaltet und mit herzlicher Energie gespeist. Man ist unter Seinesgleichen, hat keine Berührungspunkte mit dem Tourismus ringsum und wird verwöhnt mit reichhaltigem Speis und Trank.
Aber bleiben wir bei ihm, Baujahr 1942, in Sachsen geboren, in den 50-ern mit seiner Familie in die USA ausgewandert, studierte Kulturanthropologie, Ethnobotanik und -medizin, sowie Kulturökologie. Beschäftigte sich intensiv mit anderen Kulturen, bereiste sie langjährig und ließ sich vollkommen auf ihre Lebensweisen ein, sein Name Dr. Wolf-Dieter Storl. Bekannt wurde er hauptsächlich durch seine holistische Betrachtungsweise der Pflanzenwesen mittels zahlreicher Bücher und Vortragsreihen.
Es gibt wohl nur sehr wenige Menschen unter uns, die sich mit den Pflanzen so intensiv auseinandergesetzt haben, wie er. Wer beleuchtet auch deren Aspekte aus medizinischer, volkskundlicher, geschichtlicher und botanischer Sichtweise mit dieser unerschöpflichen Kraft, angereichert mit wunderbaren Geschichten aus anderen Sphären, um dem geneigten Zuhörer die entsprechenden Pflanzenseelen näher zu bringen. Aber jetzt geh ich schon zu weit, was eigentlich nicht meine Intention ist.
Während dieser Woche tauchte ich in seine Welt ein, in die Welt der Märchen, der fremden Kulturen, in die Wirkweise seines Tuns. Ich ging mit auf seine Reisen durch die ganze Welt, durch die letzten Jahrtausende bis in die Jetztzeit, durchdrang den Dschungel, durchschwamm heilige Flüsse, rauchte Pfeife mit Indianern und stieg in jeden nur erdenklichen und nichterdenklichen Kaninchenbau.
Bei Wolf existieren Zwerge wirklich, ebenso Feen, dunkle und helle Mächte. Für ihn gibt es keine Polarität oder Dualität, alles darf sein, hat seinen Platz. Er ist auch angstlos, fühlt sich nicht bedroht, obwohl er keine Schutzmauern um sich errichtet hat. Er steht mit beiden Beinen auf der Erde und hat doch keine geistigen Schranken, die ihn daran hindern würden, davon zu fliegen oder sich tragen zu lassen. Er lässt Dinge geschehen und versucht nicht ständig einzugreifen, wenn sie sich nicht so entwickeln, wie man es sich gerne wünscht. Er hechelt auch nicht nur dem Guten nach, um sein Karma zu optimieren.
Und bei all dem ist er kein Guru und kann sich wunderbar zurücknehmen, ist fröhlich und verbreitet Heiterkeit, auch mit manch derben Witz. Das ist wohl einer der Gründe, warum ich ihn mag. Er hat kaum Tabus und lässt sich von Niemandem das Wort verbieten. Er ist das, was man authentisch nennt, er verkörpert sich und lässt jedem seinen Weg gehen, ohne sich einzumischen.
Ich bin ihm zum ersten Mal persönlich begegnet und muss mich jetzt erst wieder ordnen. Aber nicht wegen seiner Energie, sondern wegen dem Energiefeld der anderen Seminar-Teilnehmer, die wohl alle sehr freundlich und aufgeschlossen wirkten, aber auch einige dunkle Stellen aufwiesen. Hier ging ich sehr achtsam mit mir um, da die Durchlässigkeit von Storl wohl keine Stärke von mir ist.
Hab ich eigentlich schon über mein Resümee erzählt, das ich nach dieser Woche gezogen habe? Muss ich das jetzt noch, ist nicht schon alles gesagt? Vergessen zu erwähnen habe ich eigentlich nur, worum es überhaupt ging, nämlich um transzendente Visionen, um den Sinn des Lebens in all seinen Fassetten. Aber das war für mich zweitrangig. Vielmehr wollte ich Wolf einfach nur einmal begegnen und schauen, was dies mit mir macht. Und es hat etwas mit mir gemacht. Allein der Aspekt, dass er das Leben wie ein einziges Abenteuer sieht, war es wert, ihm einmal begegnen zu dürfen.