Liebe Freunde des schlechten Geschmacks, es ist Zeit, wieder einmal aufzuräumen mit alten Gewohnheiten und Ansichten, sich neu zu justieren und auszurichten. Vielleicht aber auch nur, um sich ein bisschen abzulenken von den absurden Geschehnissen, die uns tagtäglich versuchen, in ihren Bann zu schlagen.
Da hätten wir eine kuriose Figur, die mir seltsamerweise in letzter Zeit immer wieder über den Weg läuft. Er hat es geschafft, sich ein Image zu geben, das ihn schon zu Lebzeiten fast unangreifbar machte. Man nannte ihn „Kaiser Karl“, da er es bis in den Olymp der Modewelt schaffte, unermüdlich und mit einer Kreativität sonders gleichen ausgestattet. Sein Markenzeichen waren weißer Pferdeschwanz und dunkle Sonnenbrille, partiell noch ein Handfächer als Paparazzi-Schutz-Instrument.
Im September 1933 in Hamburg geboren, schied Karl Lagerfeld 2019 im Alter von 85 Jahren in Paris aus dem Leben. Seine verbrannte Asche wurde in alle Winde verstreut, wie er es sich zu Lebzeiten gewünscht hatte. Was war denn jetzt so Besonderes an ihm außer seiner Vorliebe für Coca-Cola Light.
Er war ein Getriebener, der sich ständig erneuern musste, den seine Kreationen von gestern zu Tode langweilten, ein Egoist, der von sich behauptete: „Ich interessiere mich nur für mich selbst und mein Spiegelbild". Man könnte fast davon ausgehen, dass der Geschichtenschreiber der griechischen Mythologie über den Jüngling Narziss einen Blick in die Zukunft warf und sich von Lagerfeld inspirieren ließ. Der wurde von Nemesis bestraft für die ständige Zurückweisung seiner Verehrer mit einer unstillbaren Selbstliebe. Er verliebte sich in sein Spiegelbild einer Wasserquelle und konnte sich trotz Erkenntnis seines Zustandes nicht davon befreien, verwandelte sich nach seinem Tode in eine Narzisse.
Man sagt dem Modezaren durch seine Schnelllebigkeit nach, dass der Papierkorb sein wichtigstes Möbelstück war und er alle Ideen und Menschen von Gestern, die nicht mehr ins Heute passten, dort entsorgte. Das brachte ihm natürlich nicht nur Freunde ein, was ihm aber vollkommen einerlei war.
Er schuf sich als schillernde Persönlichkeit eine eigene Welt und erzielte durch seinen Erfindungsgeist weltweit große Erfolge und Aufsehen in der Mode-Branche. Einer seiner Sprüche, die man ihm in den Mund legt und durch den ich auf ihn aufmerksam geworden bin, lautet: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren". Das Kuriose dabei ist, dass heute selbst Jogginghosen unter seinem Label vertrieben werden.
Dann hätten wir noch sein Faible für Bücher, beginnend mit der Übernahme eines Buchladens, Gründung eines Verlages und zuletzt einer Druckerei. Seine Privat-Bibliothek umfasste an die 300.000 Bücher. Man sagt ihm nach, nie länger als sieben Stunden geschlafen und während des Frühstückes rund 20 Zeitschriften gelesen zu haben. Er war zudem kein Technik-Freak, eher das Gegenteil.
Die Legende, dass er ein Universalgenie war, möchte mir trotzdem einfach nicht einleuchten. Dafür ist seine weltliche Haltung doch zu banal mit Sprüchen wie: „Ich bin umgeben von jungen und schönen Menschen. Der Anblick von Hässlichkeit ist mir ein Graus.“ „Man muss das Geld zum Fenster rauswerfen, damit es zur Tür wieder reinkommt.“ „Jugend ist eine neue Form des Rassismus, eine Obsession. Es ist die einzige soziale Ungerechtigkeit, die es wirklich gibt.“ „Alles, was ich sage, ist ein Witz. Ich bin selbst ein Witz.“ „Was ich sage, hält nie länger als sechs Monate.“ „Es ist nicht so, dass ich mich gut finde, aber es könnte schlimmer sein.“
Mit dem letzten Zitat könnte ich mich anfreunden, da es den Anschein erweckt, dass Lagerfeld sich manchmal gern selbst von Sockel der Eitelkeit gestoßen hat und sich dessen durchaus bewusst war. Damit konstatiere ich, dass diese Ikone doch einer von uns war, ein heißblütiger, ungezügelter Geist, und ich hoffe, dass seine Seele zur Ruhe kommen mag.