JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Es ist an der Zeit über eine Begrifflichkeit zu sprechen, die uns immer wieder begegnet, oftmals verklärt daherkommt und dabei eigentlich recht simpel ist. Bei meiner Recherche darüber fand ich 533 alternative Wörter dafür, was mich dazu veranlasst, diese Zeilen zu schreiben, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Es geht um die Bedeutung von „Weisheit“. Was sind die grundlegenden Eigenschaften dafür, was verbirgt sich dahinter.
So einfach, wie die Weisheit daherkommt und sich entsprechend ausdrückt, fabuliert doch jeder Klugi seine ureigene Interpretation darüber, mich natürlich eingenommen. Und insgeheim hoffe ich deshalb, auch dem elitären Kreis der Weisen anzugehören, indem ich mich einfach in Frage stelle, was wiederum nur punktuell mit Weisheit zu tun hat.
Lasst uns deshalb auf Entdeckungsreise gehen, welche Faktoren zur Weisheit gehören und wie sie sich im Alltag gebärden. Hierzu hat die österreichische Professorin Dr. Judith Glück gute Vorarbeit in gewissen Studien geleistet und darüber ein Buch geschrieben, dessen Essenz ich hiermit kundtue:
Aus ihrer Sichtweise existieren fünf Prinzipien, auf denen Weisheit beruht.
Eines davon ist die „Offenheit“ allem gegenüber, was einem auch immer begegnet. Nichts ist einfach nur gegeben und in Stein gemeißelt. Es wird nichts nur so übernommen, weil es einem in den Kram passt, wobei andere Standpunkte toleriert werden. Und selbstverständlich darf sich die eigene Position jederzeit ändern, wenn es an der Zeit ist, wobei die gewonnene Einsicht durchaus schmerzhaft sein kann. Ein wesentliches Element der Offenheit ist somit auch die Akzeptanz, sich seiner eigenen Wissens-Begrenztheit bewusst zu sein.
Damit kommen wir zum zweiten Grundprinzip „Akzeptanz von Kontrollverlust“, was so viel heißt, dass man mit allen Dingen, die einem im Leben begegnen, gleichmütig umgeht. Dieser Zustand verhilft einem dazu, auch Krisen zu bewältigen. Es ist die Einsicht, die Wertigkeit seines eigenen Lebens nicht überzubetonen, dafür aber jederzeit die Verantwortung zu übernehmen.
Kommen wir zum dritten Prinzip „Emotionsregulation“, dem Umgang mit seiner Gefühlswelt. Da tauchen sie empor, die Emotionen „Ärger, Angst, Ekel, Freude, „Liebe“, Scham, Traurigkeit und Überraschung“, um nur einmal die acht Grundgefühle zu benennen, die uns zuweilen zu beherrschen versuchen. Der Weise erspürt deren Anwesenheit, kann die daraus resultierenden Botschaften entschlüsseln und kommt damit klar, auch, indem er sie zulasst. Man akzeptiert sowohl das Gute, als auch das Schlechte in sich, akzeptiert somit, wie man gerade ist.
Emotionsregulation ist die Basis für das vierte Prinzip „Empathie“, die Fähigkeit, sich in den Anderen einzufühlen. Das bedeutet gleichzeitig, sich von sämtlichen Vorurteilen befreit zu haben und selbst negativen Eigenheiten des Gegenübers aufgeschlossen zu begegnen. Es ist auch das tiefgründige Empfinden, vom Verhalten nicht gleich Schlüsse zu ziehen auf die Persönlichkeit des Anderen.
Das leitet über in das fünfte Prinzip „Reflektivität“, der Fähigkeit, komplexen Gegebenheiten aufgeschlossen gegenüberzutreten und sich dabei selbst in Frage zu stellen. Dabei ist man gewillt, in ungewisse Tiefen zu gehen, in Gefilde, die einem nicht unbedingt wohlgesonnen sind. Es ist die Suche nach Verstehen, die Auseinandersetzung mit uns selbst. Sich das Nichtbewusste bewusst zu machen und den „blinden Fleck“ als solchen zu erkennen, wohlahnend, dass derer viele existieren.
So schlicht kann man Weisheit umschreiben, diese in definierte Prinzipien hüllen, wobei es des individuellen Reifegrades bedarf, dafür mehr oder weniger Verständnis aufzubringen.
Wer sich in diese These von Frau Glück vertieft hat und dabei reflektiert, inwiefern diese Prinzipien bei ihm selbst verwirklicht sind, sollte sich aus meiner Sichtweise schnell wieder davon lösen. Das Ego schmeichelt sich tragischer Weise gern selbst und versucht mit allen Mitteln, uns davon zu überzeugen, dass schon alles recht ist. Vielleicht ist es das auch.
Wer sich kennt, mit sich im Reinen ist, wer offenen Herzens und klaren Blickes durch die Welt wandelt, sich selbst so akzeptiert, wie er ist, der braucht sich über Weisheit keine großen Gedanken mehr zu machen.
Der Mystiker Zeisel fand dafür passende Worte: „Versuche, den Augenblick und in der Gegenwart des Göttlichen zu leben. Das ist genug. Fülle dein Leben nicht mit bohrenden Fragen, fruchtlosen Bemühungen und karmischen Spekulationen. Lebe das Leben in dankbarer Freude. Alles andere wird sich finden.“