In der Politik-Wissenschaft, deren Vertreter selbstverständlich vollkommen neutral agieren und von keinerlei Institution abhängig sind, gibt es ganze Bibliothek-Areale über Herrschafts- und Regierungsformen. Eine besondere Kategorie davon nennt sich „Demokratie“, über die eigentlich jeder bei uns im Westen Lebender Bescheid zu wissen glaubt, der sich der Sprache einigermaßen bedienen kann.
Das scheint jedoch leider nicht der Fall zu sein, wobei dies nicht an unserem Unvermögen oder unsere Leichtgläubigkeit liegt, sondern an der perfiden Handlungsweise der Machtelite, unser Demokratie-Verständnis in ihrem Sinne beeinflusst zu haben.
Neben der fast unüberschaubaren Anzahl von Demokratie-Arten, die man über die Jahre mühsam kreiert, sprich zusammengebastelt hat, kommen zwei nebulöse Kategorien vor, die der näheren Betrachtung würdig sind. Da ist zum Einen die „Scheindemokratie“, die sich den Anschein gibt, aber mit Demokratie nichts zu tun hat. Zum Anderen gibt es den Begriff „Defekte Demokratie“, die aber -ähnlich wie in der Scheindemokratie- gewisse Schwachstellen aufweist.
Wir haben aber das Glück, in einer „repräsentativen Demokratie“ leben zu dürfen. Alle paar Jahre wählen wir unsere Volksvertreter, die unsere Anliegen würdigen und zum Gemeinwohl des Landes beitragen. Das ist deren Job, dafür werden sie fürstlich entlohnt und ihr politisches Wirken durch Immunität geschützt. Dass der Handlungs-Spielraum dieser Truppe etwas eingeschränkt wird durch Fraktionszwänge und gnadenlosen Ergebenheitspflicht zur jeweiligen Partei sei einmal dahingestellt.
Die Frage, die nun im Raum steht, ist, was diese „repräsentativen Demokratie“ tatsächlich für uns Bürger bedeutet.
Die wahrhaftige „Demokratie“, ein altgriechisches Wortkonstrukt aus „demos“ für Volk und „kratos“ für Herrschaft fand in der Geschichte der Menschheit nur äußerst selten statt und war oft nur von sehr kurzer Dauer. Schon zu Aristoteles Zeiten war man der einhelligen Meinung, dass die gemeinen Muggel, das Volk, ungeeignet sei, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Über Allem schwebte natürlich die Gefahr für die Besitzenden, ihr Hab und Gut mit den weniger Bemittelten teilen zu müssen, was sie unter allen Umständen verhindern wollten.
Und so schmiedeten die gesponserten Intellektuellen schon in grauen Vorzeiten finstere Pläne, um die Machtelite vor der dumpfen Masse zu schützen, was ihnen bis heute hervorragend gelang. Die Pöbelherrschaft der Nichtbesitzenden wurde somit erfolgreich verhindert. Mit der Erkenntnis, dass echte Demokratie die Eigentumsverhältnisse bedroht, musste sie mit allen Mitteln bekämpft werden. Man musste sie neutralisieren oder wenigstens risikofrei umstrukturieren, was zweifelsfrei erreicht wurde.
Die „Demokratie ohne Demokratie“, die in gewissen Kreisen auch „marktkonforme Elitedemokratie“ genannt wird, entkernt und ausschließlich zum Nutzen des gefeierten Neoliberalismus, hat für die Machtelite einen besonderen Vorteil im Vergleich mit autoritären Systemen. Sie ist günstiger. Es genügt, den Bürger nach den Interessen der Elite zu formen, ihre Einstellungen und Meinungen zu kontrollieren.
Hierzu erwähnenswert scheint mir die Aussage des einstigen US-Präsidenten Theodore Roosevelt im Jahr 1912 über die „repräsentativen Demokratie“, den ich trotzdem nicht unbedingt zu meinem Freundeskreis zähle: „Hinter dem, was wir für die Regierung halten, thront im Verborgenen eine Regierung ohne jeder Bindung an und ohne Verantwortung für das Volk. Die Vernichtung dieser unsichtbaren Regierung und Zerschlagung der unheiligen Allianz von korrupter Wirtschaft und korrupter Politik ist die entscheidende politische Herausforderung dieser Zeit.“ Mit dieser Aussage war sein Schicksal besiegelt.
Fakt ist, dass wir bis heute in einer kapitalistisch geprägten Demokratie leben, die sich jeglicher Kontroll-Instanzen entzogen hat und nach den Beurteilungskriterien der Bundeszentrale für politische Bildung als eine totalitäre Herrschaftsform anzusehen ist.
Warum der einfache, orientierungslose Bürger nicht merkt, ignoriert oder desinteressiert ist, was sich hinter seinem Rücken abspielt, steht auf einem anderen Blatt. Darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen, auch nicht darauf, was man tun könnte, um der Demokratie wieder zu dem zu verhelfen, was man ursprünglich darunter verstanden hat. Mir ging es in diesem kurzen Aufsatz nur darum, den Begriff „Demokratie“ aus meiner Sicht etwas näher zu beleuchten und damit ins rechte Licht zu rücken.
Im Netz kursieren Sprüche über politische Systeme im Umgang mit zwei Kühen, an denen ich Gefallen finde. Hier diejenigen mit demokratischem Bezug:
Sozialdemokratie: Sie besitzen zwei Kühe. Ihr Nachbar besitzt keine. Sie fühlen sich schuldig, weil Sie erfolgreich arbeiten. Sie wählen Leute in die Regierung, die Ihre Kühe besteuern. Das zwingt Sie, eine Kuh zu verkaufen, um die Steuern bezahlen zu können. Die Leute, die Sie gewählt haben, nehmen dieses Geld, kaufen eine Kuh und geben diese Ihrem Nachbarn. Sie fühlen sich rechtschaffen. Udo Lindenberg singt für Sie.
Postkapitalismus: Sie besitzen zwei Kühe, die Sie aber entlassen müssen. Milch bekommen Sie jetzt aus dem Ausland.
Gutmenschentum: Sie besitzen zwei Kühe, Ihr Nachbar hat keine. Ab und zu schenken Sie Ihrem Nachbarn ein Glas Milch. Sie beschweren sich, dass niemand Ihrem Nachbarn eine Kuh schenkt.
Demokratie: Sie besitzen zwei Kühe. Sie können frei bestimmen, wer sie ihnen wegnimmt.