JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

In allen Gesellschaften herrschen Regeln, auch und vor allem im Umgang für das Miteinander. Diese Regeln nennt man umgangssprachlich auch Normen, die von einem ideellen Kreis festgelegt wurden für das „Normale“ und „Übliche“. Sie werden aber auch als Maßstab genutzt, sind damit ein Messmittel zur Ermittlung von Unnormalem oder Abweichendem. Die allgemeinen Normen, denen wir uns unterwerfen, dienen somit als Richt-Linien einer Gemeinschaft, als Richt-Maß.
Was geschieht aber, wenn man von einer Norm, die das Gute für sich proklamiert, abweicht, nicht mehr mit ihr übereinstimmt und die Diskrepanz draußen im Umgang mit anderen ersichtlich wird. Dann muss man sich mit seiner Abnormität arrangieren, sich anpassen oder dazu stehen.
Ich habe einmal vor geraumer Zeit eine Reflektion darüber vernommen, die sich mit dem Aussehen, der Außenwirkung etwas beschäftigte. Das ging in etwa so:
„Wenn ungewöhnlich Aussehende von gewöhnlich Aussehenden angestarrt werden, beobachte ich meist die Beobachtenden, nicht die Beobachteten. Die Gaffer zeigen ungewollt mehr von sich, als die Begafften. Mit großen Augen, halb offenen Mündern und oft geschüttelten Köpfen bestätigen sie sich selbst, dass sie die Norm sind und nur die Norm das Wünschenswerte und alles nicht Genormte das zu Verurteilende ist. Wenn sie sich verachtungsvoll umdrehen nach denen, die nicht so sind wie sie, glauben sie umso mehr, dass sie selbst so sind, wie es der Norm entspricht. In dieser Norm fühlen sich die wohl, die unfähig sind, eine eigene zu leben. Und da ist eine große Angst vor allen anderen Normen, die die eigene infrage stellen könnten. Doch so weit lässt man es nicht kommen. Je länger man in einer Norm lebt, umso mehr glaubt man, dass es die einzig richtige ist und hält alle, die sich ihr nicht fügen, für gefährlich und diskriminiert die Abweichler oder beseitigt sie. Was passiert aber, wenn die bisher genormt Aussehenden zufällig gezeichnet sind und somit nicht mehr in ihre eigene Norm passen?“
Dieses Szenarium mit dem „Aussehen“ steht exemplarisch für alle normierten Ansichten und durchdringt damit die gesamte Öffentlichkeit. Wir alle agieren nach mehr oder weniger oktroyierten Normen, obwohl unser gesunder Menschenverstand oftmals erkennt, dass diese manchmal vollkommen verkehrt sind und unserem Empfinden widersprechen.
Was aber geschieht mit demjenigen, der sich der Norm beugt und der dabei entstandenen, kognitiven Dissonanz nicht entgegenwirkt. Er gerät mehr und mehr in den Strudel des Sympathikus, seine Plusschlagzahl erhöht sich permanent und pendelt sich auf einem Niveau ein, das dem Körper mehr schadet, als ihm gutzutun.
Somit könnte man das Fazit ziehen, dass alle Normen und Regelwerke, die wir uns auferlegen, einer ständigen Überprüfung unterliegen sollten, ob sie einer gesunden Gesellschaft dienen. Und falls sich bestimmte Umstände ändern oder gewisse Sichtweisen aufzeigen, dass das Bisherige überdacht werden muss, dann muss sich auch die Norm anpassen und geändert werden.
Natürlich kann man diese nachdrückliche Betrachtungsweise über Regeln und Normen als überbewertet abtun, da es ja wesentlich wichtigere Themen gibt. Dazu fällt mir nur ein, dass eigentlich alles im Leben letztendlich mit der Bewusstmachung der Dinge einhergeht, die einen mittel- oder unmittelbar betreffen, auch die scheinbar belanglosen.
Man kann es aber auch so halten, wie Klaus, der bei einer Straßenumfrage vor Kurzem gefragt wurde, was denn das Problem der heutigen Gesellschaft sei- mangelndes Wissen oder mangelndes Interesse? Seine Antwort darauf: "Weiß nicht. Ist mir eigentlich auch egal."