JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Ich sehe immer wieder Menschen sehr unterschiedlicher Weltanschauung und Ausrichtung/Auffassung, die versucht sind, in einer Gemeinschaft zusammenzuleben. Früher ging ich selbst geflissentlich darüber hinweg, ignorierte eigentlich unüberwindbare Barrieren und Hindernisse, ließ mich gerne „ver-leiten“ und von Äußerem betören. Da war in meinem Hinterstübchen noch die alte Weise verankert, dass sich Gegensätze anziehen. Die Folgen, die sich daraus ergaben, waren wortwörtlich folgenreich, sprich verhängnisvoll.
Davon abgesehen, dass ich wohl immer noch vergnügt in das eine oder andere Fettnäpfchen trete und in keiner Weise geläutert bin, scheint sich meine Betrachtungsweise doch etwas verändert zu haben, was ich meinem Energie-Management zuschreiben möchte.
So richte ich meinen Blick einmal nach außen und komme aus dem Staunen nicht heraus. Wie viele Lieb- oder Partnerschaften kenne ich, die relativ schnell von der Verliebtheits-Phase in der Ernüchterung einer Zweckgemeinschaft mündeten? Wie viele emotionale Bindungen verflüchtigten sich mittelfristig in reine Netzwerk-Kontakte, derer man sich nutzbringend bedient unter dem Deckmantel der Freundschaft.
Früher hatte ich darüber oftmals vernichtend geurteilt, wenn sich anfänglich liebevolle Beziehungen in reine Nutz-Bündnisse transponierten. Diese schroffe Betrachtungsweise habe ich schon lange abgelegt, da mir recht früh klar wurde, dass das Phänomen sehr häufig vorkommt und wohl auch moralisch-ethisch begründbar ist.
Aus der Wissenschaft stammt die Erkenntnis, dass sich Frau bei der Auswahl eines männlichen Artgenossen instinktiv daran orientiert, dass dieser genetisch stark abweicht von ihrer DNA, was natürlich auch eine Rolle bei der Partnersuche spielt. Degeneration soll so ausgeschlossen werden. Wenn die dabei eingegangene Verbindung dann nur zum sexuellen Akt dient, um gesunde Kinder zu gebären und man sich danach wieder trennt, ist dies „in Ordnung“. Langfristig angelegtem Zusammensein wird dies aber nicht dienlich sein.
Ich möchte mich jetzt einmal fokussieren auf die Verflechtung von gereiften Lebensgemeinschaften, in denen jeder seinen Weg geht und sich dabei entfaltet. Warum selbst diese gefährdet sind in heutigen Zeiten, in denen man nicht ums Überleben kämpfen und zusammenhalten muss.
Jedes Individuum entwickelt sich in dem Maße, wie es Zeit, Raum und Umstände zulassen, wobei der Veränderungsgrad vollkommen unterschiedlich ausfallen kann. So kann sich in einer Beziehung eine bisher gemeinsame, harmonische und ausgeglichene geistige Ebene von heute auf morgen vollkommen verändern. Dies geschieht unterschwellig und ist nicht fassbar, bedarf dabei keinerlei äußeren Ursachen. Um dann unbewusst eine Partner-Trennung herbeizuführen, kommen weltliche Dinge zum Tragen, die dies beschleunigen.
Das Alles hat im eigentlichen Sinn wenig mit Liebe, eher mit Emotionen und Vorstellungen zu tun, die wir bei Geburt mitbrachten, uns anerzogen wurden oder wir selbst im Laufe der Zeit entwickelt haben. Ob wir dann irgendwann einmal die Kraft und den Mut aufbringen, die Dinge ins rechte Licht zu rücken oder uns einfach unserem Schicksal ergeben, entscheiden wir selbst. Und wer sich krampfhaft an einer Beziehung festhält, obwohl schon alle Felle davongeschwommen sind, kann sein Unglück mit sich selbst ausmachen. Dann aber ohne ständiges Murren nach draußen. Ein Streit hingegen kann Klärung schaffen, kann bereinigen und den Claim neu abstecken, vielleicht für eine schöne lange Weile, die man weiterhin gemeinsam verbringt.
Dann gibt es noch diejenigen, welche die Leidensfähigkeit in ihrer Partnerschaft genüsslich zelebrieren und nach außen ironisch verpacken. Ein alter Kumpel von mir ist so einer, der schon viele Jahre mit seinem Eheweib auf dem Buckel hat. Vor Kurzem erzählte er mir, dass ihn früher, wenn er nach Hause kam, sein Hund mit lautem Bellen begrüßte und ihm seine Frau die Pantoffeln gebracht hat. Als ich ihn danach fragte, ob sich dieses Ritual denn geändert hätte, erwiderte er mir ganz trocken, dass die Beiden jetzt die Rollen getauscht hätten.