JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse


Es gibt Menschen, die eine Bestimmung in sich tragen und es gibt Menschen, die eine besondere Fähigkeit ihr Eigen nennen. Beides kann in ihnen schlummern, nie zutage treten und unbemerkt ins Grab genommen werden. Manchmal bedarf es eines Anstoßes, eines bedeutsamen Momentes, um sich gewahr zu werden, dass da etwas in einem verborgen ist, was es gilt, ins Leben zu bringen, ähnlich einer Geburt.
Ein Leben in Glückseligkeit und Fülle macht es einem wohl äußerst schwierig, sich dem wahren Selbst zu stellen. Man hat es sich gemütlich eingerichtet, die äußeren Unwegsamkeiten zur Seite gekehrt. Warum sollte sich ein solches Individuum die Mühe machen, tiefer zu graben, wo sich das Leben doch so ergeben und einfach zeigt? Hat es nicht schon genug Energie gekostet, sich auf dem Erreichten endlich genüsslich auszuruhen und dieses auszukosten?
Noch beschwerlicher tun sich diejenigen unter uns, die das Glück hatten, in einem Umfeld aufwachsen zu dürfen, welches ihnen ein unbeschwertes Leben garantierte. Liebevolle Eltern, sorgenfreie Kindheit in gehobenem Viertel und behutsames Begleiten aller am Kindeswohl beteiligten Personen. Wird daraus einmal ein Jesus, ein Buddha oder eine Hildegard von Bingen?
Wenn die Voraussetzungen, sich seinem Leben zu stellen, zu gut sind, wenn die äußeren Einflüsse schon von Kindesbeinen an kanalisiert sind, bestimmte Reize von außen erst gar nicht ankommen, da weggefiltert, dann könnte sich der Prozess des wahren Werdens schwierig gestalten.
Aber auch die andere Seite, die mehr im Schatten der Gesellschaft zu finden ist, wird sich schwertun, den dort Aufgewachsenen gerecht zu werden. Geht es dort doch darum, den Kampf ums nackte Leben tagtäglich zu überstehen. Wer sich in diesem Umfeld bewährt hat und später den Sprung in eine andere Gesellschaftsschicht geschafft haben sollte, ist darauf ausgerichtet, das Erreichte zu erhalten. Ist dort noch Raum für Bewusstseins-Schaffung?
Nun, dahingestellt, in welchem Rahmen ein junger Mensch nun aufwächst, wird er versucht sein, sein Umfeld zu spiegeln, den Gleichsinn nach außen zu tragen, um unauffällig mitzuschwimmen unter Seinesgleichen. In ihm angeborene, besondere Fähigkeiten wird er tunlichst verbergen, um nicht ausgestoßen zu werden. So aufgewachsen, schlummern diese weiter im Verborgenen, treten nicht zutage und geraten in Vergessenheit.
Es ist wie mit einem Edelstein, der, wenn er unbearbeitet ist, aussieht, wie jener Farbstein, den man am Wegesrand finden kann. Erst das Auge des Wissenden erkennt, dass es sich um ein Objekt handelt, das im geschliffenen Zustand eine vollkommen andere Wertigkeit erhält, als im Urzustand. Dabei gilt es zu aller erst zu bestimmen, um welche Art von Edelstein es sich handelt und im nächsten Schritt festzulegen, welcher Schliff auszuführen wäre und vor allen Dingen, wer die Befähigung hat, diesen Schliff herzustellen. Und erst während der Bearbeitung erfolgt seine wahre Bestimmung, seine Größe und Form. So kann es sein, dass aus einem unbearbeiteten Farbstein von beträchtlicher Größe am Schluss nur noch ein Winzling von wenigen Karat wird, der, je nach Schliff, bedeutungslos im Tresor des Juweliers verschwindet.
Ähnlich ist es mit uns Menschen. Wir kommen auf die Welt, noch relativ unbearbeitet, je, nach Betrachtungsweise, und bringen nur unsere Ursubstanz mit auf die Waage. Dann erfolgt der Schliff durch die Außenwelt, der uns prägt. Später dann, wenn wir unseren Weg gehen, autonom und autark, haben wir den Prozess des Schleifens selbst in der Hand. Du entscheidest, welchen Weg du nimmst und du entscheidest, wie du ihn gehst.
Jetzt nehmen wir einmal an, es geschieht nichts Aufregendes in deinem Leben und das Schicksal meint es gut mit dir. Die Welt um dich scheint in Ordnung zu sein und du bewegst dich leichtfüßig in deinem Umfeld. Ich denke, wenn jetzt nichts passiert, dich nichts aus der Reserve lockt, wirst du auf dieser Ebene alt werden, vielleicht sogar glücklich, aber…..
Nun, meist treten doch Dinge auf in deinem Leben, die so nicht geplant waren, die dich richtig durchschütteln und dein bisheriges Leben in Frage stellen. Dem kannst du dich entgegenstellen und versuchen, dein bisheriges Leben weiterzuführen, vielleicht mit Kompromissen oder leichten Wegänderungen. Oder du erkennst in solchen Momenten, dass dein bisheriges Sein wenig mit dem zu tun hat, was man eigentlich unter Leben versteht.
Und es bedarf hierzu keiner extremen Erlebnisse wie Nahtod-Erfahrung, Partnerverlust oder eine unheilbare Krankheit. Manchmal genügt ein kleiner Schubs, das wahre Erkennen einer Situation, der Erkenntnis, woher eine kognitive Dissonanz herrührt, dass etwas einfach nicht passt.
Man nennt es Triggern, wenn eine Reaktion angestoßen wird, plötzlich ein innerer Prozess in Gang kommt, dem man nachgeht. Und es muss nichts Großes sein, das einen anstachelt, sich Gedanken zu machen über einen Vorgang, der bisher unterschwellig durch ging, plötzlich aber nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden möchte.
Wenn du erkannt hast, dass der Kaiser gar keine Kleider anhat oder spürst, dass jemand etwas Abstruses behauptet, das nicht richtig sein kann, wenn Dinge geschehen, die jeglicher Wahrheit spotten, dann obliegt es deiner Macht, deinen bisherigen Weg weiterzugehen oder die rote Pille zu schlucken und dich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben. Dann fängst du an, erst zu schnorcheln und später tief einzutauchen in die Materie, irgendwann hoffentlich angstfrei, dass dir der Sauerstoff dort unten nicht ausgeht.
Du wirst recht schnell erkenne, dass die Welt, die du jetzt belebst, eine vollkommen andere ist, als die Matrix, in der du dich bisher bewegt hast. Es ist keine Bessere oder Schlechtere, es bedarf keines Vergleiches, da der Zustand, in dem du dich jetzt befindest, in einer anderen Dimension stattfindet. Das ist auch der Grund, warum dich deine bisherigen Lebensbegleiter nicht mehr verstehen, sie eine andere Sprache nutzen als du
Und wenn du jetzt die Chance ergreifst, noch tiefer einzusteigen, dann öffnet sich der Horizont für dich noch weiter. Dann wird dein Weg noch ein anderer sein, denn dann werden viele menschgemachten Hürden und Banalitäten belanglos für dich, ringen dir sogar nur ein freundliches, verständnisvolles Lächeln ab. Dies ist dann der spirituelle Weg, der zu Gott führt, einmal unabhängig, wie du auch immer Gott definieren magst.
Das Aufwachen kann spontan, in Stufen oder sehr träge geschehen. Es bedarf grundsätzlich keines Prozesses, obliegt einzig dir und deinem gegenwärtigen Bewusstseins-Zustand, wie du diesem Aha-Erlebnis begegnest, ihm zögerlich oder spontan die Hand reichst. Mut gehört allemal dazu und die Hoffnung, das neue Leben würdevoll zelebrieren zu können.