JOeys Tafelrunde
Eigen- und Fremderkenntnisse

Es existieren viele Mythen über ihm, beginnend bei den alt-germanischen Völkern, die ihn Thor oder auch Donar nannten, den Donnergott. In den Edda-Schriften war er der Beschützer von Midgard, der Erde und somit der Menschheit. Und wie alle Geschichten aus der Sagenwelt der Götter, gleichgültig aus welchem Kulturkreis sie auch immer entstammen, gleichen sie oftmals sehr denen der einfachen Menschen. So hatte Thor die gleichen, weltlichen Themen wie der Homo Sapiens, wunderbar dargestellt in einem seiner der Marvel-Abenteuer.
Als er dort -wieder einmal- am Ende seiner Kräfte war und „weder ein noch aus“ wusste, gab ihm seine Mutter Frigga, die in Asgard lebte, Mut und Zuversicht: „Jeder scheitert daran, zu sein, wer er sein sollte. Wir messen eine Person daran, wie gut es ihm gelingt, zu sein, wie er wirklich ist.“ Mit der Verinnerlichung dieser Worte schöpfte Thor wieder Kraft und ließ gottgleiche Taten folgen.
Hier wurde das Dilemma veranschaulicht, das aufkeimt, wenn eine Diskrepanz besteht zwischen dem, was man ist und dem, was man sein möchte. Die Nicht-Akzeptanz seiner selbst, mit all seinen Ecken und Kanten, sowie die Orientierung an eine höhere Instanz oder Autorität, führt früher oder später immer zur Abspaltung der Persönlichkeit.
Es ist dieser Ist-Zustand, der unablässig und zumeist nichtbewusst, mit einem Soll-Zustand verglichen wird. Hat man das in unsere Wiege gelegt, das Streben nach mehr? Wurden wir etwa nicht in der Kindheit so geprägt, besser als der Andere zu sein, bessere Noten als der Andere zu haben, uns mehr und mehr Kompetenzen anzueignen, um im Wettstreit der Mitbewerber bestehen zu können.
Was hat das bewirkt, was hat es aus uns gemacht? Die in uns eingehämmerten, initiierten Gedanken, den Kampf gewinnen zu müssen, wird zu unserer Lebensweise. Das persönliche Glück, dass man mittels Reichtums und Macht messen kann, wird unser Lebenselixier. Unsere Motivation, etwas zu schaffen, etwas anzuschaffen, um das Leben überhaupt als lebenswert betrachten zu können, wird die allumfassende Devise.
Kann man sich aus diesem geistigen Gefängnis befreien, gibt es einen Notausgang daraus? Nun, hierzu existieren mannigfaltige Wege mit dem bedeutsamen Wegweiser, dass diese Befreiung absolut individuell geschieht. Dass es hierfür wohl unendlich Literatur und Heilsversprecher gibt, letztendlich der erste, aber entscheidende Schritt selbst vollführt werden muss. Die Hemmschwellen, dabei Neuland zu betreten, sind enorm, da man sich gewiss ist, dass sich unser Leben grundsätzlich ändern wird- mit allen Konsequenzen.
Vieles erscheint plötzlich in einem völlig anderen Licht. Alte Freunde passen dann plötzlich nicht mehr so richtig, alte Gewohnheiten werden in Frage gestellt. Die Interessenslage tendiert zu Tiefsinnigerem, da das Banale plötzlich einem im Weg zu stehen scheint, einen sogar zu langweilen beginnt. Selbst die Ess- und Schlafgewohnheiten ändern sich.
Es ist eine Art Aufwachprozess, wenn man sich überwindet und den schön befestigten Weg, der für einen vorbereitet wurde, verlässt. Man geht dann in einen Zustand über, der das eigene Bewusstsein schärft und sich im ständigen Abgleich mit den äußeren Begebenheiten befindet.
Das Türlein des goldenen Käfigs, den man sich über die Zeit selbst geschaffen hat, war nie verschlossen, sondern immer offen. Man saß sogar oftmals auf der Gitterstange der geöffneten Tür und spickte hinaus, war aber nicht bereit, den geistigen Vogelbauer zu verlassen.
Gandhi empfahl hierzu einmal, in jedem Augenblick seines Lebens wachsam zu sei, da man sonst niemals die Wahrheit finden würde. Ich unterstreiche diese Erkenntnis gerne, möchte aber hinzufügen, dass es sich bei dieser Art von Wahrheit ausschließlich um die Wahrheit eines jeden Einzelnen handelt.